Stoppschilder gegen Rechts

Sprockhövel. „Gleichgültigkeit ist der größte Feind unserer freiheitlichen Gesellschaft… Die menschenverachtende Mordserie der Zwickauer Terrorzelle hat wieder einmal auf dramatische Weise gezeigt, wozu Rassismus führen kann. Umso wichtiger ist es, gemeinsam gegen jede Form von Gewalt und Fremdenfeindlichkeit aufzustehen. Es gilt, Rassisten und Extremisten ein deutliches Stoppschild entgegenzusetzen!“. Mit diesen Worten begrüßte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Maria Böhmer den diesjährigen ‘UN-Tag gegen Rassismus‘. Das Gegenteil von Gleichgültigkeit beweist tagtäglich die IG Metall mit Ihrem Engagement in Betrieb und Gesellschaft: Moderiert durch Petra Wolfram eröffnete das Bildungszentrum Sprockhövel gemeinsam mit ca. 80 besonders engagierten Gästen die hauseigene „Woche gegen Rassismus“. Der Einladerkreis: Das IG Metall Bildungszentrum in Kooperation mit IG Metall Vorstand, Ressort Migration/Integration und dem IG Metall Bezirk Nordrhein Westfalen.

Rassismus in der Leistungsgesellschaft
Nach einem gelungenen, musikalischen Auftakt mit Recep Kaplaner und Zeci Bagci, beide Musiker sind aktiv im IG Metall Migrationsausschuss Mönchengladbach, folgte das Auftaktreferat von Selma Haupt. Die junge Promtionsanwärterin an der Bergischen Universität, Wuppertal ist zugleich aktive Referentin der IG Metall Kampagne „Respekt!“. In Ihrem Referat zog sie ein ernüchterndes Fazit: Das Thema Integration wird nach wie vor leider häufig nicht als Angebot zu echter Teilhabe und Gleichberechtigung verstanden, sondern als einseitige Vorleistung und Bringschuld. Soziale, ökonomische und kulturelle Leistung wird nicht nach dem zu erbringendem Aufwand oder unter Einbeziehung ungleicher Startbedingungen bewertet. Stattdessen entscheidend: Die Nützlichkeit und der „Output“ für die Mehrheitsgesellschaft. „Nationalismus und Leistungsgedanke verbünden sich zu einem selbstverliebten Standort-Nationalismus. Dieser kommt zwar auch mal kumpelhaft daher (Du bist Deutschland!) oder in scheinbar harmloser Feierlaune (WM 2006/2010). Aber er unterscheidet in bekannt unguter Tradition zwischen einem selbstgefälligen „Wir“ und „den Anderen“: Spätestens wenn dann z.B. aus dem lokalpatriotischen  „Steh auf, wenn Du Schalker bist!“, plötzlich das auch in der Tonalität schrillere „Steh auf, wenn Du Deutscher bist!“ wird, hinterlässt das Manchem ein ungutes Bauchgefühl.

Gebrochenes Versprechen
Hinzu kommt: Integration und Aufstieg wurden immer als „Belohnung“ für Integrationswilligkeit und Leistung versprochen: Aber selbst das stimmt nicht. Zu oft bleiben Migranten/innen (selbst nach erfolgter Einbürgerung, in den Folgegenerationen, trotz Abschlusszeugnis oder formaler Qualifikation) dauerhaft ausgegrenzt als „die Anderen“. Diskriminierende Strukturen werden geleugnet, der Einzelne für Erfolg/Misserfolg verantwortlich gemacht. Dies bestätigen auch die Erfahrungsberichte anwesender IG Metall-Aktiver. Serdar Üyüklüer, Betriebsratsvorsitzender bei der Firma Ixetich in Hückeswagen: „Dieses ‚Wir‘ und ‚die Anderen‘ steckt tief drin. Als „Ausländer“ musst Du immer doppelt gut sein und zwei Mal so viel tun. Du kannst Dich nie wirklich als ‘Gleicher unter Gleichen‘, also dazugehörig fühlen“. Clarissa Bader, 1. Bevollmächtigte der IGM Gevelsberg Hattingen: „Mit zunehmender Entsolidariserung und Konkurrenz in Betrieben und Gesellschaft, wächst auch die Bereitschaft zu Ausgrenzung und Abwertung. Menschen zeigen sich als starrer und unbeweglicher im Denken. Dagegen antreten muss man besonnen, aber mit klarer, eindeutiger Haltung“. Dann geht es auch anders, können Vorurteile und Diskriminierung aufgebrochen werden.

Aktive Gleichstellungspolitik im Betrieb
Dafür plädierte engagiert Mirze Edis, Betriebsratsmitglied bei HKM – Hütte Krupp Mannesmann. Seine Erfahrung: „Unternehmer und Spitzenmanager sind da ehrlich gesagt manchmal weiter als Belegschaften und Betriebsräte. Sie operieren halt selbst in internationalen Märkten und stehen täglich im interkulturellen Dialog. Sie haben, wenn auch oft unter rein renditeorientierten Gesichtspunkten, einen klareren und weltoffenen Blick – z.B. auf Anforderungen im Kontext des demografischen Wandels, die Bedeutung dieser Fragen für das Betriebsklima und die Gewinnung von qualifiziertem Nachwuch. Sie wissen, Vorurteile, Ängste und Diskriminierung sind Gift für ein positives Betriebsimage, innovative Produktion und einen reibungsfreien ‚work-flow‘.  Bei Thyssen-Krupp starteten deshalb Betriebsräte und  Unternehmensleitung gemeinsam erfolgreiche Antidiskrimierungsprojekte. Beispiele: Systematische Bestandsanalysen zur Zusammensetzung der Belegschaft, forcierte Qualifizierungs- und Einstellungsoffensiven, Antidiskriminierung-Trainings, Kontakte mit migrationsstarken Haupt- und Gesamtschulen der Umgebung, eine neue Initiative betriebseigener „Kulturmittler“ (siehe Linkhinweis).

Aktive Bündnispolitik gegen ‚Rechts‘
Zweites wichtiges Standbein antirassistischer Arbeit von IG-Metallern ist direktes Engagement im Gemeinwesen. So berichtete Frank Taufenbach, Gewrkschaftsekretär der IG Metall anschaulich über die Erfolge einer überparteilichen Bürger- und Stadtteilinitiative gegen Aufmärsche und Aktionen gewaltbereiter Neonazis in Eschweiler, Stolberg und Aachen Land. Auch hier kämpfte man übrigens lange gegen die Tendenz zu Verharmlosung und Ignoranz seitens der örtlichen Polizei: „Das sind eben keine randalierenden, harmlosen Trunkenbolde. Man muss ein waches Auge auf diese Szene haben und die demokratische Öffentlichkeit immer wieder ermuntern, sich ganz unmissverständlich zu positionieren. Gegen Neonazis heisst es „Farbe bekennnen!“ Diskriminierung und Ausgrenzung dürfen von der Zivilgesellschaft einfach nicht hingenommen werden. Gemeinsam müssen bestehende Bündnisse gestärkt und geschaffen werden“.

Antidiskrimierungspolitik – auch  innerhalb der IG Metall
Der Sprecher des Vorstandsressort Migration/Integration Hüseyin Aydin lobte abschließend das betriebliche und außerbetriebliche Engagement für Gleichstellungspolitik. Er begrüßte das Engagement für die von der IG Metall unterstützte Initiative „Respekt! Kein Platz für Rassismus“ und freute sich, dass am diesjährigen Tag gegen Rassismus bundesweit über 400 gemeldete Aktionen und Veranstaltungen stattfanden (ca. 80 mehr als im Vorjahr). Unter kräftigem Beifall erinnerte er aber auch daran, dass es natürlich auch in den Gewerkschaften selbst Vieles zu tun gibt: „Ähnlich wie bei der Frauenfrage, ist es zwingend nötig, Status und Rolle der Migranten/-innen innerhalb der Gewerkschaften durch systematische Maßnahmen zu stärken und aufzuwerten“.

Fazit
Gewaltbereiter Rassismus ist kein randständiges Phänomen. Er findet seine Nahrung in der „Mitte der Gesellschaft“: In dort tief verankerten Vorurteilen und vielfältigen Formen alltäglicher Diskriminierung und Respektlosigkeit gegen Menschen/Minderheiten. Mit der „Holzhammer-Methode“ kommt man an diese Haltungen und Vorurteile nicht heran. Und so gelingt es erst recht nicht Verhalten zu ändern: „Erfolgreiche Arbeit gegen Rassismus und Diskriminierung setzt deshalb vor allem auf (interkulturelle) Kompetenz, Kontinuität und Kontakt. Im Zweifel geht es um klare Rechte und Regeln, die es kompromisslos zu verteidigen gilt.  Im Bildungszentrum Sprockhövel finden dazu entsprechende Veranstaltungen statt. Denn auch im neuen Haus sieht man darin einen wichtigen und methodisch weiter zu verfeinernden Schwerpunkt der IG Metall Bildungsarbeit. Zum Abschluss der Veranstaltung wies man auf entsprechende weitere Termine und Anlässe hin. Unter anderem freut man sich in Sprockhövel auf den Live-Auftritt der „Blaumann-Band“. Die „beste Band der Welt“ bespielt u.a. den Musik-Trailer von „Respekt!“ Eingeladen dazu wird für den 17. April ab 19.30h in der Kneipe des IG Metall Bildungszentrums.

Weitere Infos und Links zum Thema:
http://respekt.tv/ig-metall/interview-mit-bertin-eichler/
http://www.youtube.com/watch?v=RKwnJ99zDlA
http://www.nrw.de/meldungen-der-landesregierung/interkulturelle-arbeit-kulturmittler-bei-thyssen-krupp-steel-ag-10272/
UN Tag gegen Rassismus: http://www.bundesregierung.de/Webs/Breg/DE/Bundesregierung/BeauftragtefuerIntegration/beauftragte-fuer-integration.html