Aus der Praxis. Für die Praxis.

08.10.2012 | Allein im VW-Werk Wolfsburg organisieren rund zweitausend(!) Vertrauensleute die Arbeit der IG Metall im Betrieb. Kein einfacher Job: Sich gut zu vernetzen und klug zu kommunizieren will da gelernt sein!

Wir sitzen zusammen auf der Terrasse
Simon Stenner ist Teilnehmer im VKL-Aufbauseminar. Er ist zum zweiten Mal in Sprockhövel und hochmotiviert. Seit vier Jahren ist  er Vertrauensmann. 2009 wurde er einstimmig von 50 Vertrauensleuten der VW Entwicklungsabteilung in die Abteilungs–VKL gewählt. Mit dabei: Burkhard Möker und Matthias Vogel. Beides erfahrene Mitglieder in ihrer VKL die seit Jahren auch Seminare organisieren: Dem jeweiligen Grund- und Aufbaukurs folgen dabei Seminarwochen zu thematischen Schwerpunkten: Wie zum Beispiel Nachhaltigkeit, multinationale Zusammenarbeit und VW-Spezifika (wie VW-Produktionssystem und VW-Gesetz).

„Reden schreiben, Sitzungen leiten, in die Bütt gehen!
Das  muss man sich trauen,“ sagt Burkhard Möker. „Dafür sind wir hier!“ Zwei bis drei Mal im Jahr stehen sie neben vielen anderen Kollegen als Bildungsreferenten zur Verfügung. Matthias Vogel: “Wir kritisieren nicht, wir unterstützen. Wir üben Methoden: Praxisnah, anhand echter Fälle, mit Hand und Fuß!“ Burkhard ergänzt: „Als Mitglieder der VKL müssen sich unsere Leute klar machen, welche Aufgaben sie eigentlich haben. Und Methoden drauf schaffen, die ihnen dabei praktisch helfen: Präsentieren, argumentieren, moderieren, das Gespräch führen und erfolgreich in Aktion gehen, das lernt man am besten indem man es tut. Das braucht Erfahrung und erfordert zeitgemäßes Know-How“.

„Wir sind keine Hilfsbetriebsräte, sondern VKL`er!“
erklärt Burkhard selbstbewusst: „Unsere Seminare werden nicht nach § 37.6  vom Unternehmen finanziert sondern von der Gewerkschaft selbst. Aber diese Investition lohnt sich: Unsere Leute sind das eigentliche Rückgrat der IG Metall in der Betriebspolitik und sie üben ihre Funktion ehrenamtlich aus. Dazu brauchen sie „best practice“ – möglichst schon bevor sie eigene Leitungsaufgaben übernehmen. Neben betriebsbedingten Aufgaben sehen wir unsere Rolle dabei auch in politischer Aufklärungsarbeit!“ Ausführlich berichten die drei Kollegen über ihr Engagement gegen Rechts und die NPD in Niedersachsen. „In unseren Seminaren lernt man das einfach: Keine Angst haben. Die Dinge richtig anpacken!“

„Ich bin wie ich bin!“
Die IG Metall hat Simon Stenner sozusagen in den Genen. Schon der Vater war aktiver IG Metaller und bei VW beschäftigt. Simon startete1994 in Wolfsburg die Ausbildung als  Verfahrensmechaniker für Kunststoff- und Kautschuktechnik. „Schon am ersten Ausbildungstag kam die JAV damals mit dem Mitgliedsantrag vorbei. So wurde ich selbst sofort IGM-Mitglied. Das ist aber auch normal in einem Betrieb der zu 97% organisiert ist. Im Jugendbereich habe ich mich allerdings nie engagiert.  Aktiv geworden bin ich erst später als Vertrauensmann. Ich interessiere mich für Musik und Heavy Metal, Schottland und dafür, das Leben im weitesten Sinne zu genießen: Eigenes Engagement für wichtige gesellschaftspolitische Fragen und gemeinsame Interessen gehört für mich dabei einfach dazu“. Für Simon ist die IG Metall dazu der richtige Ort: „Als aktiver Metaller ist man gut informiert, kann Vieles lernen und verändern, – besser als in und mit jeder Partei“. Dabei bleibt er als Metaller auch selbstkritisch…

„Auch die IG Metall gehört mal in den Elchtest!“
Ich arbeite in der VW-Entwicklungsabteilung und dort auch viel zusammen mit Angestellten und junger technischer Intelligenz, beschäftigt in hohen Entgeltstufen. Die haben was drauf und verlangen für ihren (hohen) Beitrag einfach mehr von der IG Metall: Gute Infos,  klare Fakten, Hintergründe, sinnvolle Materialien und direkte, persönliche Ansprache. Aus meiner Sicht ist da noch viel zu tun. Die IG Metall darf bei solchen Leuten kein „Dinosaurier-Image“ haben, nicht eingefahren und hierarchisch auftreten, und muss sich mehr öffnen. Wir müssen neue Themen aufgreifen und teils eine ganz andere Sprache sprechen. Dafür engagiere ich mich  gern – und kann dafür bei den VKL- Seminaren jede Menge mitnehmen.

Simons Zwischenfazit
„Die Seminarleitung ist klasse, das  Fallbeispiel an dem wir arbeiten spannend, das was ich hier lerne praxisnah. Und: „Die Truppe hat zusammen Spaß und ist gut drauf: Auch wenn dabei jeder mal sein Fett weg kriegt – ich natürlich auch “.Befragt zum neuen Bildungszentrum fällt die Meinung der drei Kollegen einheitlich aus: „Echt ein wunderschönes Haus. Prima, die ruhige, grüne Umgebung. Das fördert ungestörtes Arbeiten und den Zusammenhalt der Gruppe (auch am Abend). “

  • Dicke Pluspunkte: Die ganzjährige Kinderbetreuung, Freizeit- und Fitnessmöglichkeiten (Bowlingbahn und Wellnessbereich), das Essen und die Zimmer sowie die Sondertermine für Kulturprogramm Abend.
  • Kritik und Nachbesserungswünsche: Dem Haus fehlt noch mehr „IG Metall-Bezug“. Und: Bei der Begrüßungsaktion sollte „mehr Zeit sein für die persönliche technische Einweisung der Seminarleitung vorab!“.

Hier endete die Gesprächsrunde. Simon muss im Rahmen des gewählten Fallbeispiels „Planung und Durchsetzung eines Wolfsburger Großflughafens “ in seiner Rolle als „Geschäftsführer der Betreibergemeinschaft“ noch das Info für die Pressekonferenz  schreiben und gestalten.  Wer sich von den beteiligten Gruppen und Akteuren, am Ende der Woche wie in diesem Rollenspiel erfolgreich durchsetzen wird, ist noch (!) völlig unklar…