„Sich qualifizieren heißt gewinnen“

Qualifizierung kann die Zukunft von Arbeitsplätzen und Unternehmen sichern. Wie – das erfahren Betriebsräte im Projekt „KON:QreT“ der IG Metall NRW. Projektsekretär Boris Wensing erklärt im Gespräch mit Norbert Hüsson, was dahinter steckt.

Im Programm des Bildungszentrums Sprockhövel taucht das seltsame Kürzel „KON:QreT“ auf. Was bitte heißt das konkret?
Die sieben Buchstaben stehen für: „Kompetenznetzwerk: Qualifizierung regeln im Tarif“.

Wer vernetzt sich da mit wem?
Wir bringen drei Gruppen zusammen: den Betriebsrat, die Beschäftigten und die für Personalentwicklung Verantwortlichen im Unternehmen. Das Thema Qualifizierung stemmt niemand allein, darum müssen sich alle kümmern.

Aber was muss geregelt werden? Den Tarifvertrag Qualifizierung, kurz TV Q, gibt es doch schon seit 2006.
Das ist der Knackpunkt: Wir haben zwar einen sehr guten Tarifvertrag, aber der wird im Betrieb nicht gelebt. Qualifizierung ist kein Selbstläufer, Weiterbildung braucht Kümmerer oder – wie wir sagen – „Prozessbegleiter“. Damit sind Betriebsräte gemeint, die das Thema Qualifizierung im Betrieb voranbringen wollen.

Was genau ist deren Aufgabe?
Sie schöpfen den Rahmen aus, den der TV Q bietet: Sie klären, wohin die Firma sich entwickelt und welcher Qualifizierungsbedarf sich daraus ergibt – betrieblich und individuell. Sie beschäftigten sich mit Personalplanung und Personalentwicklung, durch Qualifizierungsgespräche ermitteln sie den Qualifizierungsbedarf gemeinsam mit den Beschäftigten und schlagen Qualifizierungsmaßnahmen vor  und begleiten sie. Im Idealfall sichern die Betriebsräte den Prozess durch eine Betriebsvereinbarung ab, um Verbindlichkeit und Nachhaltigkeit zu gewähren. Das alles vermitteln wir mit KON:QreT. Die Ausbildung zum Prozessbegleiter dauert ein Jahr und umfasst zehn Module, die an je zwei Tagen vermittelt werden.

Fortbildung ist kein Renner im Betrieb, nur in Sonntagsreden. Wie macht man Qualifizierung populär?
Du musst sensibel sein, wenn du im Gespräch mit den Beschäftigten deren Kompetenz einschätzen willst. Für solche Gespräche können Leitfäden entwickelt werden. Und „Kompetenz“ muss natürlich klar definiert werden, es geht um Fach- und Sozialkompetenz, um Verantwortungsbewusstsein beispielsweise oder Kundenorientierung. Qualifizierung bedeutet nicht, jemanden für dumm zu erklären und auf die Schulbank zurückzuschicken. Sich qualifizieren heißt gewinnen – du sicherst deinen Arbeitsplatz und verdienst womöglich mehr, du verbesserst deine Fähigkeiten, qualifizierst dich für neue Aufgaben und erweiterst deinen Horizont, was ja auch deinem Selbstwertgefühl gut tut.

Ein Jahrgang hat die Ausbildung zum Prozessbegleiter schon durchlaufen. Wie bewerten die Teilnehmer sie?
18 Betriebsräte aus zehn Unternehmen waren am Start. Wissenschaftler der Ruhr-Uni Bochum haben ihre Ausbildung begleitet und bewertet. Ihre Evaluation stimmt optimistisch: Mit dem Thema Qualifizierung können Betriebsräte agieren statt – wie sonst oft –nur zu reagieren. In der Ausbildung wird nicht nur trockene Theorie gepaukt; die betrieblichen Erfahrungen – erste Erfolge und Schwierigkeiten – werden diskutiert, es gibt einen regen Austausch. In den Betriebsräten entsteht eine Aufbruchsstimmung; nicht in allen, aber in vielen. Die Beschäftigten werden stärker als bisher einbezogen, die Qualität der betrieblichen Weiterbildung verbessert sich. Das alles scheint sich herumgesprochen zu haben, am zweiten Ausbildungsjahrgang beteiligen sich 36 Betriebsräte aus 19 Unternehmen.

Dieser Jahrgang hat seine Ausbildung Ende September begonnen. Müssen Betriebsräte, die sich für die Qualifizierung der Beschäftigten einsetzen wollen, bis nächstes Jahr warten?
Nein. Wir bieten allen Interessierten – Verwaltungsstellen und Betrieben – maßgeschneiderte Konzepte an. Wir leisten auch Hilfe vor Ort, organisieren ein sogenanntes Betriebscoaching, auch für Betriebsräte und Geschäftsleitungen gemeinsam. Geplant sind auch Netzwerktreffen, um auf die besonderen Belange von Branchen oder Personengruppen einzugehen. Wir wollen die erste Adresse sein für alle, die ernsthaft daran interessiert sind, das Thema Weiterbildung im Betrieb voranzubringen. Qualifizierung ist ein Gewinner-Thema.

Die Fragen stellte Norbert Hüsson von der „metallzeitung“.

Weitere Informationen im Netz: www.konqret.de