Warum die Keupstraße in Köln, überall ist…

10 Jahre ist es her, dass auch die Keupstraße ins Visier der NSU-Attentäter geriet. Heute besuchte die „AG Liederliches“ der Sommerschule den Ort des Geschehens in Köln. Und das unter ortskundiger Führung des Kölner Musikers Kutlu (microphone-mafia) und des ortsansessigen Ehrenvorsitzenden der Interessengemeinschaft Keupstraße Mitat Özdemir, selbst alteingesessener Ladeninhaber in der Keupstraße.

Lange Jahre unklar, wer sind die Täter wirklich?
Die Polizei verdächtigte alle und alles: Bis zur Selbstenttarnung des NSU 2011 ermittelten die Behörden dabei aber ausschließlich gegen die zum Teil schwer Verletzten und Geschädigten der Bombe und machten so aus Betroffenen Täter. Medien und Öffentlichkeit flankierten dies mit dem Gerede von „kriminellen Ausländermilieus“. Der rassistische Anschlag, der für die Keupstraße mit der Bombe von 2004 begann, fand so seine Fortsetzung. Ergebnis: die Menschen dieser Straße, allen voran Jene, die damals selbst verletzt wurden, Erste Hilfe leisteten, fassungslos vor ihren ausgebombten Läden und Wohnungen standen, gerieten lange Jahre selbst unter Generalverdacht:  „Viele sprechen bis heute nicht darüber, können immer noch nicht schlafen und sind traumatisiert“.

Jetzt! Wir tun was …
Mit der Verhaftung von Beate Schärpe und der Aufdeckung der NSU-Attentate, hörten die unberechtigen Verdächtigungen und Einvernahmen durch die Polizei endlich auf. Und erst im November 2012 gründete sich die Nachbarschaftsinitiative „Keupstraße ist überall…„. Die Initiative, integriert in ein bundesweites Netzwerk aus den neun betroffenen Städten, in denen die rassistisch motivierten NSU-Morde stattfanden, wurde gemeinsam aktiv. Auftakt der Arbeit in Köln-Mülheim: öffentliche Filmvorführungen und Diskussionen in der Keupstraße selbst, die die Menschen endlich neu ins Gespräch brachten(Dostluk Sinemasi – Kino der Freundschaft). Entwickelt wurde zudem ein Theaterstück, in dem die BewohnerInnen ihre Erfahrungen, zusammen mit professionellen Schauspielern, verarbeiteten und auf auf die Bühne brachten. Seitdem trifft man sich jede Woche und plant gemeinsame Aktionen… Im Fokus der Initiative „Keupstraße ist überall“:

„Wir wollen vor allem die Betroffenen und die Familien der Ermordeten, die beim Münchener NSU-Prozess als NebenklägerInnen auftreten, nicht alleine lassen. So organisieren wir gemeinsame Fahrten nach München zur Verhandlung“. Geplant ist ein gemeinsamer politischer Aktionstag in München, wenn die Richter endlich auch die Geschehnisse in Köln-Mülheim aufrufen. Gemeinsam fordern wir eine lückenlose Aufklärung des NSU-Komplexes, die auch die Rolle von Verfassungsschutz, Polizei und Politik mit einbezieht. Und demonstrieren unsere Solidarität mit den Betroffenen.

Birlikte! Zusammenstehen!!!
Parallel gründete sich „Birlikte!“, mitinitiiert von der Kölner (Musiker-)AG „Arsch-Huh – Zäng ussenander“ und unterstützt durch zahlreiche bundesweite VIPs aus Kultur, Politik und Medienöffentlichkeit (auch die IG Metall wurde aktiv). Pfingsten 2014, anlässlich des 10. Jahrestages des „Überfalls auf die Keupstraße, fand ein großes Solikonzert in Köln-Mühlheim statt. Gemeinsam wurde daraus ein großes, dreitägiges (!) (Straßen-)Fest der Begegnung und Diskussion. Die Keupstraße und viele befreundete Gruppen und Initiativen öffneten mit hunderten von Veranstaltungen ihre Türen und Hinterhöfe, um als Zivilgesellschaft und multikulturelle „Kölsche Nachbarschaft“ ins Gespräch zu kommen. Ein großer Erfolg: über 150.000 BesucherInnen nahmen die Gelegenheit war. Auch wenn, die Pfingststürme am dritten Tage zum Abruch des Konzertes führten, alle Organisatoren und die Menschen in der Keupstraße selbst werten die Veranstaltung als großen Erfolg mit nachhaltiger Wirkung. „Schön, dass jetzt auch „die Deutschen“ zahlreicher kommen: ihr Anteil an deutschstämmiger Kundschaft ist teils bis zu 40 % gestiegen“.

Keine Frage! Unser Besuch hat sich gelohnt. Respekt! Für die Aktivitäten in Köln und anderswo…