(K)ein deutscher Gedenktag!?!
Der gestrige 9.11. ist ein geschichtsträchtiger Gedenktag für Deutschland. An diesem Datum jähren sich gleich drei wichtige Ereignisse deutscher Geschichte: der Beginn der Novemberrevolution (1918/19) – Ende des Ersten Weltkrieges und der deutschen Monarchie, die Reichsprogromnacht (1933) – Symboltag für die systematische Judenverfolgung in Deutschland und den Sieg des Faschismus über die Weimarer Republik und der Mauerfall (1989) – eigentlicher Beginn der deutsch-deutschen Wiedervereinigung.
Ein „offizieller“ und feierlicher Gedenktag ist der 09.11. leider dennoch nicht geworden. Schade! Dieser Tag zeigt viel deutlicher als zum Beispiel der 03. Oktober, das Demokratie gewagt und erkämpft, verteidigt und gelebt werden muß. Vielleicht lohnt es sich, diese Debatte nochmal anzufangen:Denn wenn es ein „offizielles“ Datum gäbe, an dem sich das Feiern von Demokratie, Menschenwürde und Freiheitsrechten auch lohnt, dann doch eigentlich an diesem 9. November.
Armes Dresden – armes Deutschland!
Stattdessen jubelte gestern in Dresden (und anderswo) die Menge wieder zu Tausenden den asyl- und islamfeindlichen feindlichen Parolen von Pegidachef Lutz Bachmann und anderen Rechtspopulisten zu – und das vor der Kulisse der Semperoper. Auch an diesem historischen Tag bedeutet das: Künstler(inn)en trauen sich nicht recht zu ihrer Probe. Ein internationaler Stardirigent benötigt Personenschutz. Bürgermeistern und Aktivisten graust es ihre Post zu öffnen. Menschen und Meinungsmacher(innen) kämpfen mit rechten „Shitstorms“ und Gewaltdrohungen. München, Leipzig, Dresden – an vielen Orten rief die Pegida-Bewegung auch an diesem Montag auf. Die Pegida-Aktivistin Tatjana Festerling schlug dabei in ihrer Dresdener vor, an diesem 9. November 2015, 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, „den deutschen Schuldkomplex der deutschen Naziherrschaft“ offiziell für beendet zu erklären. „Lasst uns mit Eurem Schuldkult, für den keiner von uns hier die Verantwortung trägt, in Ruhe“, rief sie den Pegida-Kritikern entgegen – einen Satz, den ihre Anhänger mit „Lügenpresse“-Rufen und Deutschlandlie goutierten.
Nazis raus – Herzen auf! Wir müssen mehr werden!
Zuvor hatten mehr als 98.000 Unterstützer/-innen ein Aufruf gezeichnet, der sich für ein Verbot oder wenigstens die Verlegung der Pegida-Demo am 09. November in Dresden aussprach. Doch die Stadt entschied anders: Nicht Pegida – sondern die angemeldete Gegendemonstration „Herz statt Hetze“ wurde an einen anderen Ort verlegt. Dort demonstratierten zwar Tausende, aber leider eben keine 98.000. Schade! Denn was wäre. wenn statt Verbotsgerangel eine wirklich machtvolle Demonstration als das stärkere Signal gewirkt hätte. So gehörte der Theaterplatz auch an diesem historischen Tag den fremden- und islamfeindlichen Hass-Tiraden von Pegida & Co. Dazu Hartwig Fischer, Direktor der Staatlichen Kunstsammlungen für das Bündnis Weltoffenheit“: „Wir können diese Entscheidung nicht nachvollziehen und sind traurig und zutiefst beschämt darüber, dass auch am 9. November in unserer Stadt der Verachtung und Beleidigung mehr Raum gegeben wird als der Erinnerung und Mahnung“.
Wir schließen uns dieser Traurigkeit – ohne viele Worte und wider Frau Festerling an – und gedenken aktiv (!) der Opfer von Faschismus, Rassismus und schlichter Gemütsblödheit – gestern und heute. Es gilt rechten und dämlichen Hetzparolen beherzt entgegenzutreten.