Politisches Forum eröffnet Bildungsjahr

In der ersten Kalenderwoche eröffnet das Bildungszentrum Sprockhövel das Bildungsjahr traditionell mit dem Politischen Forum. Die thematische Überschrift in diesem Jahr lautete anspruchsvoll: „Kapitalismus verstehen. Alternativen aufzeigen!“.

Bildrechte/Copyright: Jens Koopmann

Angereist waren auch diesmal mehr als 80 Teilnehmende und einige teils prominente und in jedem Falle spannende ReferentInnen, die sich mit der gesellschaftspolitischen Lage und dem eigenen Handeln auseinandersetzen wollten. Noch angefüllt von dem ereignisreichen Jahr 2015 – geprägt von Eurokrise und Grexit, Flüchtlingshilfe und Krieg, wachsender Terrorgefahr (nicht nur in Paris), Pegida-Protesten und ansteigender (rechter) Gewaltbereitschaft – suchte man sichtlich nach persönlicher und gewerkschaftspolitischer Erdung. Genau darum war das diesjährige Politischen Forum bemüht. Denn es zeigt sich:

Unsere Wirtschaft wächst! Doch das Wohlstandsversprechen gilt leider nicht  für alle gleichermaßen. Im Gegenteil::
Während die Reichen immer reicher werden und herrschende Eliten ihre Reihen wieder fester schließen, wächst zugleich überall in der Welt die Ungleichheit und die ökologische Bedrohung. Betriebe gehen pleite, Arbeitsplätze und Ersparnisse sind bedroht, Armut und soziale Spaltung nehmen ebenso zu wie die weltweite Umweltzerstörung. Viele Menschen leiden unter schlechter Arbeit und niedrigen Löhnen oder sind direkt ganz abgekoppelt von lukrativen (Arbeits-)Märkten und Zukunftschancen. Auf der Suche nach Zukunft sind dabei immer mehr Menschen dazu gezwungen ihre Heimat zu verlassen. Doch während das Finanzkapital weltweit Rendite macht wird produktives Investment zum Risiko und ein faires Normalarbeitszeitverhältnis fast zur Ausnahme. Weiteres (Export-)Wachstum löst dabei weder hierzulande noch global die Lage. Im Gegenteil: Ein auch hierzulande wachsendes Prekariat wendet sich hoffnungslos ab von der Politik und versinkt eher in Apathie, Regression oder gewaltbereite Agression. Anstatt auf politische Selbstorganisation, Veränderungswillen und neue Beteiligungsformen zu setzen flüchten sich viele ins Private. Weite Teile der Mittelschichten haben Angst um den Erhalt ihres relativen Wohlstands. Und nach dem Motto „Angst essen Seele auf“ steigt offensichtlich auch die Bereitschaft eher auf radikale und rechte Parolen zu hören. Verstärkt nationalistische Töne in Europa und einer wirtschaftlich längst globalisierten Welt sind die Folge!

Politik braucht neue Wege! Doch diese Pfade müssen wir selbst finden 
Wie hängt das alles zusammen? Wer oder was ist „die Wirtschaft“? Wer sind die Akteure und wessen Interessen werden von wem gespielt? Welche Alternativen gibt es zu Macht oder Ohnmacht? Wachstum und Werteverfall? Sozialer Segmenterung und (politischer) Heimatlosigkeit? Im Politischen Forum analysierte man gemeinsam nicht nur abstrakte Marktprozesse sondern betrachtete auch die aktuelle gesamtgesellschaftliche Situation. Wertvolle Impulse kamen dabei auch von externen ReferentInnen. Im Plenum zum Beispiel von Prof. Dr. Klaus Dörre, Dr. Patrick Schreiner oder auch Giorgios Chondros (Syriza). Und viel Gelegenheit zu vertiefende Debatten gab es dazu in insgesamt vier Workshops: Mit Ralf Krämer (ver.di) beschäftigte man sich mit der Ökonomie der Gegenwart und den „kannibalischen Zügen“ globlisierter Märkte. Zusammen mit Joachim Bischoff (Redaktion Sozialismus) ging es um die konkreten Strukturen wachsender sozialer Ungleichheit, mögliche Gegenstrategien und ihre Akteure. Das Thema Flucht und Asyl wurde schonungslos, durchaus selbstkritisch und offen mit Fessum Ghirmazion (IGM Vorstandsreferat) und Prof. Dr, Arian Schiffer-Nasserie diskutiert. Und der Workshop „Kapitalismus und Krieg“ wurde moderiert durch Thomas Birg (Bildungsreferent in Sprockhövel und VVN-Aktiver).

Zwischenfazit: Den Kopf halt kühl, das Herz halt warm …
Der Fokus des diesjährigen Forums lag diesmal deutlich eher auf dem „Verstehen“ sowie der Überprüfung der eigenen Rolle sowie zeitgemäßer und sinnvoller Strategien! Denn: In Anbetracht der dramatischen und schnelllebigen Entwicklung ist es derzeit wahrlich nicht einfach, tragfähige und neu inspirierende „Alternativen“ zu denken – und anzugehen. Nichtzuletzt die Ereignisse am Kölner Hauptbahnhof -und dem damit scheinbar verbundenen öffentlichen – machten schon in dieser ersten Kalenderwoche deutlich, wie schwer es auch 2016 sein wird, mit offenem und ehrlichem Herzen zu agieren, selbst klug und besonnen Position zu beziehen, dabei persönlich die Orientierung zu behalten – und zu bieten.

Gerade die IG Metall und unsere Bildungszentren sind in dieser Situation wichtige Orte um den Austausch gemeinsam fortzusetzen und einen handlungsorientierten, aber offenen Dialog (auch mit Dritten) zu organisieren. Zu einzelnen Beiträgen aus dem Kreise der ReferentInnen werden wir hier in loser Folge noch berichten.

Ps. Ein Dankeschön an Jens Koopmann, der uns die einmalige Abbildung des Berlin-Foto freundlicher Weise und kostenlos genehmigt hat.