Individuelle Rechte kollektiv sichern…

Auch auf der 20. Ordentlichen Bezirkskonferenz der IG Metall Nordrhein-Westfalen stand die neue Arbeitszeitkapagne der IG Metall im Fokus der Debatte: Unter dem Motto „Mein Leben, meine Zeit: Arbeit neu denken.“ will die IG Metall in den kommenden zwei Jahren in die Offensive gehen. Das Ziel: Aus der Vielfalt derzeitiger Arbeitszeitregelungen gilt es gute Lösungen im Sinne der Beschäftigten zu entwickeln – und damit mehr Sicherheit, Gerechtigkeit und echte (Zeit-)Souveränität für den Einzelnen durchzusetzen.

„Die tatsächlichen Bedürfnisse der Beschäftigten in den Mittelpunkt rücken!“
Flexibilität ist bei den Beschäftigten akzeptiert – und auch erwünscht. Gleichwohl dürfen Arbeitszeitregelungen keine Einbahnstraße nur zugunsten der Unternehmen sein. Hohe Identifikation, der Wunsch nach Aufstieg und Karriere oder die Sorge um Standorterhalt und Arbeitsplätze treiben die Beschäftigten dabei heute zu Höchstleitungen an, wie die Ergebnisse der großen IGM- Mitgliederbefragung und Diskussionen im Betrieb zeigen:

  • Fast jede und jeder Vierte arbeitet heute häufig oder ständig außerhalb der regulären Arbeitszeit und an Wochenenden.
  • Fast jede und jeder Dritte klagt darüber, die eigene Arbeitszeit aufgrund kurzfristiger Anforderungen nicht planen zu können
  • 79 Prozent der Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie bestätigen, es sei „zutreffend“ bzw. sogar „voll und ganz zutreffend“, dass in den letzten Jahren immer mehr Arbeit in gleicher Zeit zu bewältigen ist.

Zwischenfazit: Stress und Arbeitsplatzbelastungen steigen. Laptop und Smartphone machen uns allzeit erreichbar. Mehrarbeit und Überstunden werden oftmals nicht einmal mehr erfasst. Unbezahlte Überstunden werden zur Regel und Arbeitszeitkonten stehen dauerhaft „auf rot“. 

„Je höher die Qualifikation, desto verbreiteter das Problem!“
Gerade Kolleginnen und Kollegen in qualifizierteren Berufen sitzen oftmals in der Zeitfalle und leisten „freiwillig“ (unbezahlte) Mehrarbeit. Dazu Arbeitszeitforscher Steffen Lehndorf vom Institut Arbeit und Qualifikation der Uni Duisburg-Essen: „Je selbständiger die Arbeitszeit gestaltet wird, desto höher ist übrigens auch die Bereitschaft zur Mehrarbeit! Übersehen wird von den Betroffenen allerdings, dass die Rahmenbedingungen ihrer Arbeit nun einmal immer noch fremdbestimmt bleiben!“.

Seine Anregungen für die Arbeitskampagne: Auch Beschäftigte wollen zunehmend souveräner über ihre Zeit entscheiden. Sie für ein entsprechendes Engagement zu gewinnen, heißt aktiv in den Dialog gehen. Verinnerlichtem Leistungsdruck und „freiwilliger“ Selbstausbeutung sollte man dabei klug und besonnen begegnen. Auch Lehndorf sieht in der Arbeitszeitkampagne der IG Metall eine große Chance, gerade mit traditionell eher gewerkschaftsfernen Beschäftigtengruppen, in die Diskussion um neue Arbeitszeitmodelle zu kommen. Seine Empfehlungen an die Ausrichtung der Kampagne:

  • Keine Verortung neuer Arbeitszeitmodelle „von oben“ 
  • „Kurze Vollzeiten attraktiv machen! Lange Vollzeiten zum Konflikt machen!“
  • Die Arbeitskampagne so anlegen, dass die Bereitschaft zur Tarifbindung
    gestärkt – und auch die Poliik in Land, Bund und EU gefordert ist.

Genau dies macht sich die neue Arbeitszeitkampagne der IG Metall zum Ziel. Führen will die IG Metall einen breiten Dialog in dem man auf betrieblicher Ebene neu ins Gespräch kommt, gemeinsam die Realität überprüft, in Pilotbetrieben neue Regelungen zur Arbeitszeit entwickelt und durchsetzt sowie gezielt die führende Initiative in Sachen Arbeitszeitgestaltung als Gewerkschaften zurückgewinnt.

Das Ziel: „Neue kollektive Regeln, die individuelle Rechte sichern und ermöglichen.“
Das Thema Arbeitszeit betrifft jeden Einzelnen, aber eben auch jeden anders. Entsprechend vielfältig und teils kontrovers war die Debatte auch auf der NRW-Delegiertenkonferenz im Plenum und zehn regen Arbeitsgruppen. Gut so! Denn in der ersten Phase der gestarteten Arbeitszeitkampagne gilt es, lauch aut NRW Bezirksleiter Knut Giesler, „erst einmal Licht ins Dickicht der vielen betriebs- und branchenspezifischen Regelungen zu bekommen“ und sich auf die vielfältigen Argumente, Wünsche und Präferenzen unterschiedlicher Beschäftigtengruppen auch einzulassen. Gute Fragen sind dabei offensichtlich derzeit hilfreicher als fertige Antworten!

„Die neue Arbeitszeit-Kampagne – breit und beteiligungsbasiert!“
Welchen Weg die IG Metall einschlagen will, wie und in welchen Phasen die neue Arbeitszeit-Kampagne vorangetrieben werden soll, das erläuterte und begründete Jörg Hofmann, Vorsitzender der IG Metall den Delegierten selbst:

  • Demnach startet – jetzt (!) – die breite Debatte in Betrieben und Branchen
  • In Planung: eine neue IGM-Beschäftigtenbefragung – beauftragt durch den Vorstand
  • 2017: Weitere Arbeitszeitkonferenzen – regional und zentral – zur Bündelung der Debatte
    in konkrete betriebliche, tarifrechtliche sowie auch (arbeits-)politische Forderungen
  • Gute Lösungen für eine Arbeitszeitgestaltung zum Wohle der Beschäftigten werden also von der IG Metall spätestens im Bundestagswahlkampf  auf die politische Agenda gesetzt – und natürlich auch in den dann folgenden Tarifrunden eine große Rolle spielen.

Auch das Bildungszentrum Sprockhövel wird Haupt- und Ehrenamtliche, Betriebsräte, Vertrauensleute und Javis bei der Kampagne mit „nachgeschärften“ und neuen Bildungsangeboten zum Thema Arbeitszeitgestaltung unterstützen.

Mehr dazu bzw. zum Verlauf der Kampagne findet sich künftig auf unserer Homepage »hier
in einer eigenen Rubrik sowie natürlich der entsprechenden Kampagnenseite der IG Metall.