Wenn wir weitergehende Forderungen für die Zukunft aufstellen oder davon ausgehen, dass sich die Dinge verbessern lassen, wird uns oft gesagt: „Das ist doch utopisch!“. Als anerkennendes Kompliment ist dies im seltensten Fall gemeint. Viel eher hat der Ausspruch einen verächtlichen Beiklang und meint: Das ist nicht zu machen. Es ist unrealistisch, reine Träumerei wenn nicht sogar Spinnerei. Wer das nicht sieht, ist naiv. Nun wollen wir uns in diesem Jahr aber anlässlich unseres Forums Politische Bildung mit „realistischen Utopien“ auseinandersetzen und müssen uns natürlich auch fragen, ob es so etwas überhaupt gibt und wenn ja, wie eine solche, also realistische Utopie aussehen kann und müsste.
Aktuell ist die Welt nicht nur durch die Corona Pandemie aus den Fugen geraten, sondern auch durch kriegerische Konflikte, jüngst sogar in Europa, Fluchtbewegungen, Klimakrise, Armut… Vor einigen Jahren hätten viele zu einer solchen Zukunft gesagt: Das sind doch Horrorszenarien, so wird die Welt nicht aussehen, das ist doch reine Schwarzmalerei und dystopisches Gefasel. Etabliert hat sich dadurch insbesondere die Vorstellung, dass (radikale) Veränderungen zum Schlechten wahrscheinlich sind und ein Bewahren und Verteidigen bestehender Dinge schon mehr ist, als man sich erhoffen kann. Wir möchten mit Euch erkunden, ob nicht vielleicht doch die Zeit reif ist für Gegenentwürfe zum Bestehenden – für ein besseres Leben, für mehr Demokratie, mehr Gerechtigkeit, mehr Zusammenhalt, mehr Integration.
Die Geschichte der Solidarität, der sozialen Befreiung, der Sorge umeinander und der Demokratisierung aller Lebensbereiche beginnt nicht erst heute. Sie reicht Jahrhunderte zurück und war trotz allen Scheiterns nicht folgenlos. Wie utopisch muss den ersten Gewerkschafter*innen allein schon die Forderung nach geregelten Arbeitszeiten, acht Stunden Tag und Urlaub erschienen sein? Können wir also heute an utopische Debatten der Vergangenheit anknüpfen und dort weiter machen?
In unserem Forum werden wir uns also mit alten und neuen Utopien bekannt machen. Wir werden Ideen suchen, die auf eine solidarische Gesellschaft abzielen, aber gleichzeitig im Hier und Heute verankert sind. Denn: Politische Utopien entwerfen zugleich Alternativen, die sich aus der Kritik der bestehenden Verhältnisse speisen. Für Oskar Negt sind Utopien „Kraftquellen jeder Emanzipationsbewegung“. Wir werden gemeinsam darüber nachdenken und schauen, wie realistische Utopien uns auch in unserer gewerkschaftlichen Arbeit als Kraftquellen unterstützen können.
Unseren Flyer findet ihr hier.