(geschrieben und gehalten von Jürgen Peters als Freund und ehemaliger Vorsitzender)

Liebe Angelika, liebe Nele, liebe Angehörige, verehrte Trauergemeinde, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Abschied – wir nehmen wieder und wieder Abschied von irgendetwas, von irgendwem. Der heutige Abschied allerdings fällt besonders schwer. Verlieren wir doch einen guten Freund, einen Weggefährten, den Lebenspartner, den Vater, unseren Kollegen Udo Achten.

Dostojewski hat einmal gesagt: „Jeder Mensch ist für alle und für alles verantwortlich.“ Das ist wohl ein Satz, den Udo durchaus hätte unterschreiben können. Er mischte sich ein mit bewundernswerter Kraft und Entschiedenheit für mehr Solidarität in der Gesellschaft und für ein menschlicheres Miteinander im Alltag – gegen Unrecht, Missstände und Ungerechtigkeiten.

Mich verbindet mit Udo unsere gemeinsame Zeit in der IG Metall Bildungsarbeit/in der Jugendbildungsarbeit. Lang ist es her! Und zugeben: es war nur eine sehr kurze Zeit. Aber durchaus eine intensive Zeit. Eine Zeit vielfältiger Diskussionen und mannigfacher Debatten. Ich will nicht behaupten, dass wir die „jungen Wilden“ waren. Aber unsere Diskussionen über die Seminararbeit, über Ziele, Inhalte und Methoden waren oft hitzige Diskussionen – streitige Debatten.

Später wechselte er in das neu entstandene Bildungszentrum Sprockhövel. Das „Flaggschiff“ der IG Metall Bildungsarbeit. Es sollte seine neue Heimat werden. In der Tat! Die Bildungsarbeit war für ihn ein Stück „Erfüllung“. Er war ein Bildungsarbeiter durch und durch – wie er selbst von sich sagte. Er war ein Gewerkschafter, der an die Kraft des Wortes glaubte, an die Sinnhaftigkeit von Bildern. Und er wusste um die Macht der Bildung.

Er war ein Gewerkschafter, der sich gern die Dialektik von Wilhelm Liebknecht zu Eigen gemacht hat: „Wissen ist Macht“ und „Macht ist Wissen“. Natürlich wusste er, dass nicht das Wort schlechthin mächtig ist, sondern das Wort, das zur Tat wird. Und ihm war immer bewusst, dass die Arbeiterbewegung Wissen braucht, um zu handeln.

Udo hat die Seminararbeit gern gemacht. Und er hat der Bildungsarbeit auf seine Art einen besonderen Stempel aufgedrückt. Mit Witz und Humor konnte er begeistern – konnte die Alltagserfahrungen der Kolleginnen und Kollegen mit treffenden Analysen der politischen Verhältnisse verbinden. Viele erinnern sich noch heute gern an diese Begegnungen. Für nicht wenige war Udo nicht nur Lehrer und Mentor sondern auch Vorbild in der gewerkschaftspolitischen und gleichermaßen kulturellen Bildungsarbeit.

Ausgehend vom Interessengegensatz von Kapital und Arbeit war sein Anspruch Mitglieder und Funktionäre zu befähigen nicht nur ihre Interessen zu erkennen und zu formulieren, sondern auch aktiv zu werden, zu handeln. Udo ging es aber immer auch darum, in den täglichen Auseinandersetzungen nicht die Perspektive einer besseren Zukunft aus den Augen zu verlieren. Und das gerade im Angesicht von wirtschaftlichen Krisen, von  Massenarbeitslosigkeit und Angriffen auf die Arbeitnehmerrechte und die Gewerkschaften.

In dieser Zeit hatten viele noch nicht bemerkt, wie sehr sich bereits der Gesundheitszustand von Udo weiter und weiter verschlechtert hatte. Udo hat versucht gegen die Krankheit an zu arbeiten. Wieder und wieder! Mit Auszeiten , mit Kuren, mit einer Fülle von Tabletten. Aber auch immer wieder durch und neuen Projekten. Bereits mit 46 Jahren hat er die hauptamtliche Arbeit bei der IG Metall beenden müssen. Allerdings nicht die Arbeit mit und für seine IG Metall. Er hat seine Schwerpunkte verändert.

Heute kann man wohl mit Fug und Recht sagen: Udo hat wohl das beste und wohl auch umfangreichste Archiv der Gewerkschafts- und Arbeiterbewegung aufgebaut. Akribisch hat er gesammelt, gelesen, archiviert: Bücher, Zeitschriften, Flugschriften, Plakate, Postkarten, Bilder, Fotos, Aufkleber, Anstecker usw. Er hat nicht nur eine Menge Zeit in diese Arbeit investiert sondern auch eine Unmenge an Geld.

Es hat ihm aber auch sichtlich Spaß gemacht in alten Archiven zu wühlen, in Antiquariaten zu schnüffeln, Nachlässe zu überprüfen. Vieles aus seinem riesengroßen Fundus hat Udo den Gewerkschaften und auch anderen zur Verfügung gestellt. Wieder und wieder! „Aus der Geschichte lernen!“ das war eines seiner politischen Leitmotive. Er hat immer auch und immer wieder an die Bedeutung von historischem Wissen und Bewusstsein erinnert. Für ihn war die eigene Geschichte nicht nur das Wissen um Sieg und Niederlage der Arbeiterbewegung, sondern auch um das Bewusstsein von der Möglichkeit der Veränderung bestehender Herrschaftsverhältnisse.

Auch das war sicher eine Motivation von ihm immer wieder neues zu veröffentlichen: Broschüren, Bücher und Flugschriften. Vermutlich mehr als 40 Bücher hat er produziert. Zum Teil außerordentlich repräsentative Bücher. Aus seinem Archiv reichlich bebildert, mit Dokumenten, Orginaltexten, mit Karikaturen. Ein wahrhafter Genuss. Wer kennt nicht das Buch: „Wenn ihr nur einig seid, Texte, Bilder und Lieder zu 1.Mai“. Oder das Buch: „Vereinzelt sind wir nichts, vereint alles!“ Oder den Bildband: „Mehr Zeit für uns – Dokumente und Bilder zum Kampf um die Arbeitszeitverkürzung“

Apropos Karikaturen! Er war ein leidenschaftlicher Sammler politischer Karikaturen. Alle verfügbaren Bücher über die politische Karikatur haben sich bei ihm gestapelt. So der „Simplicissimus“ oder „Der wahre Jakob“.

Sammeln war das eine, Veröffentlichen das andere.  Er hat neben vielem eine Fülle von Ausstellungen konzipiert und organisiert – großartige Ausstellungen. Ich erinnere an die Ausstellung für den IG Metall Bezirk Hannover zur „48iger Revolution“.

Sein ganzer Stolz war der Jahreskalender. Über 40 Jahre hat er den Gewerkschaftskalender mit zeitgenössischen Karikaturen herausgegeben. Weit über den Gewerkschaftsradius hinaus beliebt. Dazu hat er ein grandioses Netzwerk aufgebaut – zu Institutionen, zu Künstlern. Ich erinnere mich, wie wir nicht nur den einen oder andern kontaktiert haben, sondern sogar gemeinsam besucht haben.

Udo wusste wie Politik geht. Er wusste auch, wie eine Meinung in einem Kopf entsteht. Und er wusste, da haben auch wir etwas mit zu tun. Ihm war klar: Wenn die Gewerkschaften ihre Stimme nicht mehr erheben, wenn die Funktionäre sich zurückhalten oder gar schweigen, wenn es um Arbeitnehmerinteressen geht, wenn Unsinn erzählt oder „reaktionäre“ Ideologien verbreitet werden, dann darf sich niemand wundern, wenn sich eine antigewerkschaftliche Stimmung mehr und mehr breit macht, wenn sich sogar reaktionäre Entwicklungen Bahn brechen.

.Udo hat seine Möglichkeiten genutzt, in persönlichen Gesprächen – in Veranstaltungen – um aufzuklären, Orientierung zu geben, Meinungen zu bilden, die politischen Dimensionen und ökonomischen Hintergründe aufzuhellen. Ihm war klar: Nur wer seine Lage erkennt, wer die Macht-und Herrschaftsverhältnisse analysiert, der kann Strategien zur Veränderung entwickeln.

Durch sein Leben zieht sich wie ein roter Faden seine Einstellung zu „Krieg und Frieden“. Er hat sich in der  Friedensbewegung engagiert, in der Aktion Kampf dem Atomtod, bei den Ostermärschen. Er hat sich aufgelehnt gegen den Nato-Doppelbeschluss. Er war Mitbegründer des „Krefelder Appells. Überall war er dabei.

Udo war schon ein besonderer Mensch. Durch seine Art hat er viele Menschen geprägt. Für seine Weggefährten war er ein wichtiger Impulsgeber und für manche, ein persönliches Vorbild. Stets hilfsbereit. Egal um was es ging.

Aber Udo war auch eigensinnig. Man konnte durchaus mit ihm streiten. Wahrlich: Er war ein Meister im Disputieren. Seine hartnäckige, oft auch zugespitzte Art zu diskutieren war allseits bekannt. Er war streitbar und zuweilen auch streitfreudig. Im übrigen: Er war auch nicht gerade zimperlich im Austeilen – aber durchaus sensibel, wenn die Kritik ihn traf.

Liebe Angelika, liebe Nele, verehrte Trauergemeinde, liebe Kolleginnen und Kollegen!

„Jeder ist ersetzbar, der Kampf geht weiter“, heißt es. Dazu Erich Fried: „Das stimmt. Aber das stimmt auch nicht. Nicht jeder ist ersetzbar und der Kampf hat nur das Gesicht und das Herz des Menschen der kämpft“.

Mit Udo verlieren wir einen Freund, einen Kollegen, einen Kämpfer, den wir sehr geschätzt haben.

Wir trauern mit Euch, liebe Angelika, liebe Nele und mit all unseren Freundinnen und Freunden.

Er wird uns fehlen!

Würdigung Udo Achtens in der Zeitschrift Sozialismus

Link zum pdf