Betriebsbesetzung bei Mönninghoff

Vor 30 Jahren hielten die Mönninghoff-Beschäftigten in Hattingen nicht nur den Betrieb an der Gottwaldstraße besetzt, sondern führten die Produktion über Wochen in eigener Regie fort. Otto König, ehemaliger Bevollmächtigter der IG Metall in der Region wirft mit seinem Artikel einen Blick zurück nach vorn…

„Unser Beispiel kann und soll Schule machen!“
Der traditionsreiche Flanschenproduzent war in den 80er-Jahren mit rund 800 Beschäftigten die drittgrößte metallverarbeitende Firma in der Ruhrstadt Hattingen. Am 31. Januar 1984 – in einer Betriebsversammlung beschlossen die KollegInnen einstimmig: „Wir erklären, dass wir angesichts der existenzbedrohenden Umstände für uns und unsere Familien mit sofortiger Wirkung zum Schutze der Produktionsanlagen und unserer Arbeitsplätze befristet den Betrieb besetzen.“

Die Schmiedewerker reagierten auf die Weigerung der Hausbanken – WestLB, Dresdner Bank und Bank für Gemeinwirtschaft – die Raten des landesverbürgten Kredits weiter aus-zuzahlen. Damit drohten die Schließung des Unternehmens und die Vernichtung ihrer Arbeitsplätze. Die Ursachen der Krise waren Missmanagement einer unfähigen Geschäfts-führung und der Konkurs der Mutter-Gesellschaft – die Bomin-Gruppe des Pferde-Liebhabers Schnapka in Bochum.  „Wir wollten ja weiterarbeiten. Als erstes mussten wir verhindern, dass Lieferanten Material oder Maschinen aus dem Betrieb holten. Da schlossen wir die Tore“, erinnert sich der damalige Betriebsratsvorsitzende Gerd Grevel.

Die Auseinandersetzung blieb nicht auf den Betrieb beschränkt…
Die Finanzinstitute, die den Kredithahn zugedreht hatten, waren Adressaten zahlreicher Mahnwachen und Demonstrationen der Betroffenen, vorbereitet durch die IG Metall-Vertrauensleute und die Frauen-Initiative. Im Werk fanden Solidaritätskonzerte u.a. mit Dieter Süverkrüp, Einhard Klucke und der spontan gegründeten Mönninghoff-Songgruppe statt. Die Beschäftigten trugen unterstützt durch die Hattinger Bevölkerung ihren lautstarken Protest auf den Untermarkt.

Die Politik wurde in die Pflicht genommen…
Von Ministerpräsident Johannes Rau forderten sie, eine „eindeutige Willenserklärung für den Erhalt der Arbeitsplätze“ und das politische Gewicht der Landesregierung gegenüber den Banken für den Erhalt des Betriebes einzusetzen. Das gab der Auseinandersetzung eine politische Dimension. „Manche Aktionsform, die wir mit den Beschäftigten entwickelten, war Beispiel für die späteren Kämpfe der Stahlarbeiter im Ruhrgebiet“, so Hartmut Schulz, da-mals 2. Bevollmächtigter der IG Metall.

Viel Solidarität für die Mönninghoffer Betriebsbesetzung – auch aus dem Bildungszentrum
Auch LehrerInnen, Angestellte und SemiarteilnehmerInnen aus dem Sprockhöveler IG Metall-Bildungszentrum unterstützten aktiv den Arbeitskampf in der eigenen Region. Allen voran der damalige pädagogische Leiter Adi Ostertag. Edith Großpietsch und Christa Schmitthenner-Hundertmark halfen vor Ort bei der Organisation der Aktionen. Die Küchen-KollegInnen und die Verwaltungsangestellten unterstützten die Besetzer mit Verpflegung und Kaffee. Christian Schoof leistete Hilfe in rechtlichen Fragen. Auf gut besuchten Solidaritätsveranstaltungen im Bildungszentrum berichteten Betroffene über ihren Kampf. Horst Maylandt und Willi Kersting begleiteten viele Aktionen hinter der Video-Kamera. Es entstand der Film „Unser Beispiel könnte ja Schule machen“, der das Lehrstück in Sachen „soziale Marktwirtschaft“ und das „Hattinger Modell“ in die anderen Bildungsstätten der IG Metall und weitere bundesweite Gewerkschaftsveranstaltungen transportierte.

Das Hattinger Modell – damals Neuland
„War die Betriebsbesetzung schon ein ungewöhnlicher Schritt, so war es die Weiterführung der Produktion durch  die Belegschaft in eigener Regie erst recht“, schätzt der damalige Erste Bevollmächtigte Otto König heute ein. „Aufträge waren ja reichlich da. Die mussten nur abgewickelt werden“, meint Winfried Köhler, damals Prüfer in der Härterei, rückblickend. Geleitet wurde der Betrieb im Frühjahr 1984 durch Techniker, Verkäufer, Einkäufer, Arbeitsvorbereiter –  die ein Interesse daran hatten, das der Betrieb weiterlief. Die Arbeiter und Angestellten erkannten: Die Produktion zu organisieren, das können wir auch selbst.

Belegschaft, Betriebsrat und die sie unterstützende IG Metall Hattingen betraten Neuland: Mit externen Beratern entwickelten sie Vorstellungen zur Fortführung des Betriebes. Der „Förderverein Mönninghoff“  wurde gegründet, Mit weiteren potentiellen Geldgebern sollte er über eine Fortführungsgesellschaft das Unternehmen weiter betreiben. Eine in Kooperation mit der Arbeitsagentur zu bildende Berufsförderungsstätte auf dem Werksgelände hätte die Aufgabe gehabt, die Arbeitnehmer aufzufangen, die in der Produktion nicht weiter beschäftigt werden konnten. Die Konstruktion des Modells  setzte voraus, dass sich die Banken bereit erklärten, das Betriebsvermögen unter Verzicht auf einen Teil ihrer Ansprüche zu einem an-nehmbaren Preis an die neuzugründende Produktions-GmbH abzutreten.

Schließlich spitzte sich der Konflikt in der dritten Woche der Betriebsbesetzung zu. Nach Eröffnung des Anschlusskonkurses, sprach der vom Amtsgericht eingesetzte Verwalter Dr. Schultz die Entlassung fast der gesamten Belegschaft aus. Diese antwortete mit einer Ver-schärfung der Besetzung. „Die Kollegen bewachten Tag und Nacht „ihren“ Betrieb, um eine Ausplünderung des Werkes durch Gläubiger abzuwehren“, erläutert Tina Flügge, ehemalige Sprecherin der Frauen-Initiative, die angespannte Situation. Die Aktion zeigte Wirkung:  Der Betrieb sollte vorerst bis zum 30. Juni 1984 fortgeführt werden. Daraufhin setzten die Mön-ninghoffer die Besetzung nach vier Wochen aus.

„Das grüne Band der Sympathie“ erdrosselt die Mönninghoff-Belegschaft
„Anfang Mai 1984 gingen wir hoffnungsvoll in das von der Belegschaft erstreikte Gespräch im Düsseldorfer Wirtschaftsministerium“, so Otto König. Die Arbeitnehmerseite trug vor: Die Voraussetzungen für eine Auffanggesellschaft sind geschaffen. Die Produktions-GmbH kann schnellstens gegründet werden. Das Anlagenvermögen ist durch ein Bankengespräch ge-sichert. Doch dann verkündete das Vorstandsmitglied der Dresdner Bank,  dass sie nach erneuter Beratung im Vorstand der Bank, das Angebot ihren Anteil für 2,75 Mio. DM an die Belegschaft abzugeben nicht aufrechterhalten. Die Bank erwarte bei einer Versteigerung 4 Mio. DM zu erzielen. Das war  nach 16 Wochen phantasievollem Kampf das Aus für das Schmiedewerk südlich der Ruhr

„Der Versuch, mit einer beschäftigungs- und regionalpolitischen Alternative hunderte Arbeits-plätze zu retten, scheiterte an der Angst der Vertreter des Finanzkapitals vor einem von Arbeitnehmern übernommenen Betrieb“, stellten die IG Metall-Vertrauensleute fest. „Unser Beispiel könnte ja Schule machen“, brachte es Winfried Köhler auf den Punkt. Ende Juni 1984 verließen die Schmiedewerker mit erhobenem Haupt den Betrieb.

Zuvor demonstrierten sie noch in die Hattinger Altstadt und ketteten ihre 800 Arbeitsplätze symbolisch in Form eines schwarzen Sarges an den Eingang der Dresdner Bank-Filiale in der Heggerstraße. Auf der Schleife stand: „Das grüne Band der Sympathie erdrosselte die Mönninghoff-Belegschaft“. Heute 30 Jahre später – muss es wie ein Hohn in den Ohren der ehemaligen Mönninghoffer klingen, dass Banken 2008  in der Wirtschaftskrise Milliarden Euro verbrannt haben. Die beteiligten Hausbanken wurden in den Jahren danach selbst verkauft bzw. zerschlagen.

Otto König,
ehemaliger 1. Bevollmächtigter
der IG Metall Grevelsberg-Hattingen