Krieg wird das Problem nicht lösen…

Der Schweizer Theaterregisseur Milo Rau recherierte für sein aktuelles und preisgekrötes Theaterstück „The Civil War“ indem er selbst in Brüssel lebte. Dort suchte er mit den vielen Kontakt, die nur im Salafismus sozialen Anschluss und gesellschaftlichen Status finden.

In einem lesenwerten Interview mit ZEITonline berichtet er über seine Erfahrungen und seine Arbeit. Einige seiner Kernfragen:

  • Warum ersetzen so viele junge Männer (nicht nur) aus Molenbeek und Villeforde die alten Ideale der Aufklärung durch die negative Utopieen des Dschihadismus?
  • Welche Rolle spielen dabei ihre Väter, ihre Familie – und vor allem die sogenannten Mehrheitsgesellschaften?
  • Warum vereinen sich im multikulturellen Brüssel gerade ganz verschiedene MigrantInnen und Migrationsverbände zur sogenannten Movement X – und ist dies evtl, ein demokratischer und bürgerrechtsorientierter Gegenentwurf mit Vorbildcharakter für Europa?

Für Milo Rau haben die islamistische Anschläge in Europa eher mediale Absicht. Und dabei verfolgen sie vor allem die Rekrutierung zorniger junger Männer. Ihr Kalifat wollen die Islamisten allerdings keinesfalls im Westen sondern auf „heiliger Erde“ errichten. Anstatt sich also – à la Pegida – vor kultureller Überfremdung hierzulande oder Sicherheitsrisken ausgehend von Flüchtlingen zu fürchten, schlägt Rau –leicht  ironisierend – etwas anderes vor: „Europa will den IS bekämpfen, das ist verständlich. Die Frage ist nur: Warum tun wir das nicht, indem wir verhindern, dass Extremisten aus der EU in den Nahen Osten reisen? Die jungen Kämpfer aus Europa tragen aktiv dazu bei, dass Millionen Syrer und Iraker fliehen, auch nach Deutschland.“ Nach der Logik des Theatermanns „müsste man – wenn überhaupt – den Stacheldraht (der EU-Zäune) eigentlich nach innen kehren, damit unsere terroristischen Mitbürger nicht in den Nahen Osten ausreisen können.“

„Gefährlich ist nicht, was Terroristen tun, sondern wie Gesellschaft darauf reagiert.“
Trotz den Attentaten von Paris macht es aus der Sicht von Rau keinen Sinn, von Krieg zu sprechen, wenn kleine Gruppen von Europäern in Europa terroristische Anschläge verüben: „Weder die islamistischen Terroristen noch die Rechtsradikalen, um einmal einen anderen Teil des extremen Spektrums zu erwähnen, haben in Europa derzeit reale politische Macht“. Es gehe deshalb darum, den gewalttätigen Terrorismus aller Coleur mit rechtsstaatlichen Mitteln zu stellen und sich sich als Gesellschaft nicht in die Hysterie treiben zu lassen:

„Der französische Präsident hat meines Erachtens einen Fehler gemacht, von Krieg zu sprechen und damit den Terror politisch zu ernst zu nehmen.“ Die Frage danach, was den islamistischen Gotteskriegern  denn aus seiner Sicht politisch den Nährboden entzieht, beantwortet Rau eindeutig: „Ich habe die Rede von Bildung und Chancengerechtigkeit eigentlich immer ein bisschen für hohl gehalten. Aber nach meiner Zeit im Banlieue von Brüssel muss ich sagen: Genau so ist es.“ Auch sein politisches Fazit: „ Bildung, Bildung, Bildung. Und mehr Chancengerechtigkeit.“

Hier das ganze Interview bei ZEITonline.

*) Hinweis für Eure (Bildungs)planung:
 Viele aktuelle Materialien zum Thema finden sich für IG Metaller(inn)en derzeit auch  im Extranet. Interessante Seminare im Bildungsprogramm 2016. Exemplarisch hier als »Download die Einladung zum fünfteiligen Forum Politische Bildung 2016  -„Zukunft der Migrationsgesellschaft“.