Die Festrede hielt Christiane Benner

125 Jahre IG Metall. 45 Jahre Bildungsarbeit in Sprockhövel. Und davon fünf Jahre im neuen Haus. In diesem September gab es dreifachen Grund zum Feiern: Zum Tag der offenen Tür im BiZ Sprockhövel luden deshalb die IG Metall Gevelsberg-Hattingen und das Bildungszentrum diesmal gemeinsam ein.

Auftakt war der offizielle Empfang der IG Metall Gevelsberg-Hattingen zum 125. Geburtstag der IG Metall. Dazu begrüßte Clarissa Bader, Vorsitzende der hiesigen IGM Geschäftsstelle den voll besetzten Saal: „Wir haben als IG Metall eine traditionsreiche und stolze Geschichte. Dazu gehört maßgeblich auch unsere gewerkschaftliche Bildungsarbeit. Sie ist eines der wichtigsten Instrumente um betriebliche und gesellschaftspolitische Zusammenhänge zu verstehen, notwendige Konflikte anzugehen und auch gemeinsam zu bestehen! Deshalb treffen wir uns heute zu einem guten Anlass – und das auch am richtigen Ort.“ Nach Begrüßung der Gäste gab Clarissa Bader das Wort an Christiane Benner, die Zweite Vorsitzende der IG Metall weiter.

In ihrer Ansprache nahm sie den Ball gekonnt auf und spielte ihn schnell nach vorne: “Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität, Respekt und Anerkennung, seit 125 Jahren sind diese Werte das Fundament unseres gewerkschaftlichen Handelns. Ich bin sicher – und das zeigt unsere Geschichte – wenn wir gemeinsam anpacken, können wir Entscheidendes bewegen!“ Für Benner sind diese fünf Grundwerte das prägende Fundament allen Handelns – von der Gründung der IG Metall im Jahre 1891 bis heute: „Immer stand dahinter das Ziel, die Freiheitsgrade der Beschäftigten zu erweitern. Für mehr Gerechtigkeit in Betrieb und Gesellschaft einzutreten. Menschen ein selbst bestimmteres, besseres  und freies Leben zu ermöglichen.“

Bild: Thomas Range / gfp

„Der Blick auf unsere Geschichte führt vor Augen: ein „besseres Morgen“ ist möglich!“
Ausgehend von den Gründerjahren zu Zeiten der ersten industriellen Revolution landete die Vizevorsitzende der IG Metall zügig in der Gegenwart. Zum Beispiel den Herausforderungen durch die Digitalisierung der Arbeitswelt in der sogenannten vierten industriellen Revolution. Denn: Was ist heute Wertschöpfung? Wer profitiert davon? Und wer nicht? Wie ändern sich Kräfteverhältnisse? Was macht es mit uns und der Welt, wenn der Takt (und die Taktung) einer globalen Ökonomie heute nicht mehr von klassischen Industrieunternehmen sondern wenigen finanzstarken Tech-Konzerne wie Google, Apple, Facebook und Amazon beherrscht wird?

Fragen, die für Benner an die Substanz gewerkschaftlicher Politik und die eigenen Grundwerte gehen und zu deren Beantwortung engagierte Betriebsräte, Vertrauensleute, eine starke IG Metall und vertrauensvolle Bündnispartner (z. B. aus der Wisenschaft) unverzichtbar sind. Die Digitalisierung der Arbeit verlangt nach anspruchsvollen und neuen Lösungen:

  • um den technischen Fortschritt in einen sozialen Fortschritt für alle zu verwandeln
  • sichere Arbeitsplätze, humane Arbeitsbedingungen und Mitbestimmung zu erhalten und
  • nicht nur über technische Möglichkeiten zu reden sondern über Bedürfnisse von Menschen

Was ist zu tun für eine gerechtere Arbeitswelt, „damit der Mensch zwischen den Nullen und den Einsen nicht einfach verloren geht?“ Dazu Christiane Benner: „Ein zentraler Schlüssel für künftige Emanzipations- und Entwicklungschancen aller Beschäftigten ist gute Bildung sowie mehr berufliche Weiterbildung – und zwar auf allen Qualifikationsebenen, ob an- oder ungelernt, Frau oder Mann, Facharbeiter oder Ingeneurin.“ Hier sind  aus Sicht der IG Metall nicht nur Bund und Länder mehr in die Pflicht zu nehmen, sondern auch und gerade „die Unternehmen, die diesbezüglich allerdings leider bisher nicht geiefert hätten.“ Aus Sicht von Christiane Benner ist dies ein gefährliches Manko, soll der stattfindende technische Wandel denn erfolgreich für die Menschheit gestaltet werden.

„Das „bessere Morgen“ – nicht machbar ohne den Streit für eine offene Gesellschaft!“
Klar positionierte sich Christiane Benner insachen Flüchtlingsfrage, Rechtsentwicklung, AfD und all der „totgeglaubte Ideen und politische Bewegungen, die hierzulande und in ganz Europa wieder Zulauf haben.“ Für sie ist die Flüchtlingsfrage in erster Linie „ein Katalysator für soziale Fragen, die auch wir vielleicht zu lange nicht mehr gestellt haben… Aber an zu wenig bezahlbarem Wohnraum und schlechten Arbeitsmarktchancen für Langzeitarbeitslose sind nicht die Flüchtlinge schuld!“ Für Benner zählen auch hier die Grundwerte der IG Metall – Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Anerkennung: „Ich bin der festen Überzeugung, wir dürfen Menschen nicht nach Herkunft, Releigion oder Hautfarbe beurteilen. Deshalb lasst uns als IG Metall hier klare Kante zeigen: Fremdenfeindlichkeit, Rechtsextremismus, Sexismus, Gewalt und Hetze dürfen in unseren Betrieben, ja im ganzen Land keinen Platz haben.“

Gerade die gesellschaftspolitischen Seminare gewerkschaftlicher Bildungsarbeit sind für Benner dabei übrigens ein „fester und unverzichtbarer Bestandteil des eigenen IG Metall Bildungskanons“. Die eigenen Bildungszentren bezeichnete sie dabei „als wichtige Räume um sich auch mit dem zunehmenden Nationalismus, Rassismus und Rechtsextremismus aktiv auseinanderzusetzen“.

„Das Thema Arbeitszeit steht wieder ganz oben auf unserer Agenda. Aber anders!“
Es folgte ein Ausblick auf die neu gestartete Arbeitszeitkampagne. Unter dem Motto „Mein Leben. Meine Zeit. Arbeit neu denken.“ widmet sich die IG Metall dabei dem Konfliktfeld „Flexibilität und bezahlte Arbeitszeit“. Dazu Christiane Benner: „Flexibilität kann nicht heißen: Paradies für die Unternehmer und Hamsterrad für die Beschäftigten!“ Was sich die Menschen wünschen ist vielmehr Eigenständigkeit und Zeitsouveränität. Hier will die IG Metall die Gestaltungs- und Handlungshoheit zugunsten der Beschäftigten zurückgewinnen. Wichtiger Dreh- und Angelpunkt: Rund eine Milliarde Überstunden werden derzeit nicht einmal vergütet; dies entspricht der Zahl von 600.000 in Vollzeit beschäftigten Menschen in Brot und Arbeit. Dazu Christiane Benner: Gewachsene Mobilität und Bereitschaft zu mehr Flexibilität auf Beschäftigtenseite dürfen „keine Flatrate für die Unternehmen sein, denn so wird Arbeit schlicht entwertet .Übrig bleibt nichts anderes als eine versteckte Entgeltkürzung.“ Stattdessen will sich die IG Metall „stark machen für eine Arbeitszeitpolitik, die mehr Verteilungsgerechtigkeit, Gesundheit und Vereinbarkeit für alle bietet.“

„Der Ausstieg aus der Arbeit darf nicht den Abstieg in die Armut bedeuten!“
Auch das Thema Rente und Alterarmut sparte Benner nicht aus: denn die IG Metall wird das Rententhema im Vorfeld der Bundestagswahl ins Zentrum ihrer Aktivitäten rücken. Unter dem Motto „Für eine Rente mit Niveau“ soll das Solidarprinzip im Rentensystem gestärkt werden, damit die sogenannten Lücken (Arbeitslosigkeit, Kindererziehung, Pflege- und Ausbildungszeiten) in Erwerbsbiographien ausgeglichen werden. Gefordert wird ein Drei-Phasen-Konzept: 1. das Absinken des Leistungsniveaus stoppen, 2. die Rentenentwicklung wieder an die Lohn- und Gehaltsentwicklung ankoppeln und 3. Durchsetzung einer schrittweisen Anhebung des Versorgungsniveaus im Alter, auch durch die gesetzliche Rente.

Bild: Thomas Range / gfp

„Die IG Metall lebt von Zuversicht, Optimismus und Vielfalt!“
 Mit einem Dankeschön an alle Aktiven für ihr Engagement schloss Christiane Benner ihre Rede – und das nicht ohne sie schon einmal auf die nächsten 125 Jahre einzuschwören ;-). Dafür sieht sie die IG Metall gut aufgestellt. Denn:

  • Die IG Metall ist ein Teil deutscher Geschichte, auf den wir stolz sein dürfen,
    aber auf dem wir uns sich nicht ausruhen werden
  • Die IG Metall setzte erfolgreich viele soziale und politische Errungenschaften durch –
    in Betrieben und Gesellschaft – und damit machen wir weiter
  • Die IG Metall wächst: 2015 zum fünften Mal in Folge mit über 120.000 neuen
    Mitgliedern. Wir sind heute 2,3 Millionen Menschen. Und:
  • Die IG Metall darf sich freuen: der Anteil weiblicher Mitglieder geht nach oben, mit 230.000 MetallerInnen unter 25 sind wir der größte politische Jugendverband Deutschlands und zudem auch der größte Verband von Migrantinnen und Migranten in diesem Land.

Schön, dass sich Christiane Benner nach ihrer Rede noch viel Zeit nahm um mit Kolleginnen und Kollegen das direkte Gespräch zu suchen und – entspannt und gesellig – dem Motto des Tages zu folgen: Gemeinsam. Feste. Feiern!