B. Traven Ausstellung im BiZ eröffnet
Am Tag der Offenen Tür eröffnete das Bildungszentrum auch eine neue Ausstellung. Im Mittelpunkt: Leben und Werk des Schriftstellers und Autors B. Traven. Für die Vernissage verfasste Thomas Birg, BiZ Bildungsreferent in Sprockhövel folgenden einführenden Text. Ein guter Hintergrund für alle Gäste der Ausstellung (präsent bis Ende Dezember), die er in drei Rundgängen auch persönlich begleitete.
Was kann man über unsere neue Ausstellung sagen – und damit über B. Traven eine Person, hinter der sich mehrere Identitäten, mehrere Biographien, viel Geschichte und noch mehr Geschichten verbergen? Spannende Geschichten, von denen übrigens schon jede einzelne eine eigene Ausstellung verdient hätte. Zunächst einmal, und das ist das erfreuliche, diese Ausstellung steht hier wirklich am richtigen Platz. Sie entführt in das kosmopolitische Leben und das facettenreiche Werk eines der herausragenden Autoren der Arbeiterbewegung. Ich möchte Euch deshalb Lust auf diese Ausstellung machen – ohne das eigene Entdecken vorwegzunehmen. Lasst Euch dazu ermuntern, Euch selbst auf die Reise durch diese Ausstellung zu machen. Lasst Euch dazu anregen. Und: auch dazu, das ein oder andere Buch von ihm oder seine Biographie zur Hand zu nehmen – und wieder einmal zu lesen.
B.Traven – eine Katze mit vielen Leben
Zunächst gilt es dabei einen Autor wieder zu entdecken, der in den zwanziger und dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts weltweit ein Millionenpublikum erreichte. Außergewöhnlich war nicht nur sein Erfolg, sondern auch sein Lesepublikum: denn vorwiegend Arbeiterinnen und Arbeiter lasen seine Romane und Erzählungen. Hier schrieb jemand spannende Bücher, die ins ferne Mexiko entführten und die Abenteuer versprachen. Die zugleich aber immer auch mehr als bloße Unterhaltung boten. Denn: die Abenteuer des B. Traven waren immer erst dann bestanden, wenn im Kampf gegen ungerechte Zustände, die Freiheit erobert wurde. Aber wer war dieser Mann, der mit seinen Geschichten und Botschaften so viele Menschen erreichen und fesseln konnte? Der Name B. Traven war nur ein Pseudonym und lange Zeit war nicht bekannt, wer sich dahinter verbarg. Dazu nutze der Autor im Laufe seines Lebens viele andere Pseudonyme: Bevor er 1969 in Mexiko City verstarb, nannte er sich Hal Croves, dem es als der Agent von B. Traven gelang, mehrere seiner Bücher und Erzählungen verfilmen zu lassen. Der bekannteste Fim ist wohl „Der Schatz der Sierra Madre“. Erst zum Zeitpunkt seines Todes gab es dann Vermutungen und Belege dafür, dass sich hinter Traven/Croves eventuell auch der Herausgeber der ab 1917 erscheinenden anarchistischen Zeitschrift „Der Ziegelbrenner“ Ret Marut verbarg.
Als Marut war er Verleger, Schauspieler, Schriftsteller und Chefzensor der Presse in der sozialistischen Räterepublik in München zur Zeit der Novemberrevolution. Dabei kam er in Haft, konnte allerdings fliehen und arbeitete als Herausgeber des Ziegelbrenners im Untergrund weiter. 1923 versuchte er dann nach Kanada auszureisen, kam aber in London als Otto Feige in Haft. Im Jahr darauf wurde er entlassen, fuhr zur See, gelangte nach Mexiko und wurde dort 1930 als Traven Torsvan registriert. Hinter all diesen Namen verbergen sich verschiedene Geschichten und Leben, aber letztich ein und die gleiche, beeindruckende Persönlichkeit.
B. Traven – warum er einer von uns ist
Selbst nach seinem Tod war das Rätsel um die wahre Identität noch lange nicht gelöst. Erst in seinem Testament ermächtigte er seine Witwe Rosa Elena Lujan, seine Identität zu bestätigen. Sie enthüllte in Folge auch alle anderen Identitäten unter denen Traven bis dahin tätig war: Traven war Croves, war Marut, war Torsvan und noch manch Anderer. Aber erst nach ihrem Tod 2009 konnten die vielleicht letzten Rätsel um die wahre Identität gelöst werden. Als Traven 1924 in der Londoner Haft als Otto Feige registriert wurde, war dies nach dem momentanen Stand der Forschung wohl einer der wenigen Momente, in denen Traven ein wenig von sich bekannt gab:
Geboren am 23. Februar 1882 als Otto Feige in Schwiebus. Gelernter Schlosser, leitender Aktivist des Deutschen Metallarbeiter Vereins (DMV) in Gelsenkirchen und dort u.a. zuständig für die gewerkschaftliche Bildungsarbeit. Wo also gäbe es einen besseren Platz für diese Ausstellung, als hier in unserem IG Metall Bildungszentrum in Sprockhövel (umme Ecke von Gelsenkirchen)?
B. Traven – ein Werk, das aufregt und anregt
Werk und Wirken dieses Mannes kann auch heute noch vieles lehren. Denn Traven bleibt aktuell. Unfreiheit, Ausbeutung, Krieg und Unterdrückung kennzeichnen doch noch immer die Situationen in vielen Ländern dieser Erde. Wer sich zum Beispiel zur Vorbereitung auf eine Reise nach Mexiko in den Caoba-Zyklus vertieft, wird mehr von dem Land begreifen als alle, die sich nur mit einem touristischen Blick in gängige Reiseführer begnügen. Schaut man sich wach in der Welt um, ist auch Travens leidenschaftlich vorgetragener Protest gegen Militarismus, Kriege und Waffenexporte nicht überholt. Im Gegenteil: Seine Bücher und Schriften bieten immer noch Anlass, unser Verständnis für Demokratie zu überprüfen und entwerfen das inspirierende Modell einer Gesellschaft, in der freie und gleichberechtigte Menschen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Auch im realen Leben richtete er sein eigenes Handeln danach aus. Dabei kam ihm sein Engagement teuer zu stehen: Wegen Beteiligung an der Münchner Räterepublik wurde er 1919 zum Tode verurteilt – und konnte erst im letzten Moment fliehen.
B. Traven – Menschlichkeit und „Mündigkeit“ als Lehrziel
Unsere Ausstellung will auch als ein Akt der Rehabilitierung verstanden werden, mit dem der verfemte Autor Ret Marut und damit ein wichtiger Abschnitt demokratischer Geschichte in Deutschland wieder ins öffentliche Bewusstsein gerufen werden.
- Geliefert werden Orientierungspunkte für Menschen, die sich dem Ziel gewerkschaftlicher Organisationen nach wie vor verpflichtet fühlen: demnach sollte eben jeder Mensch die Chance erhalten, seine Persönlichkeit zu entfalten – und zwar ohne dabei die Verantwortung für die Schicksale anderer zu vergessen.
- Die Ausstellung ist ein Plädoyer für ein gemeinsames Ringen um Humanität und Vielfalt, Selbst- und Mitbestimmung – in der Gesellschaft und am Arbeitsplatz.
- Vor diesem Hintergrund darf auch in der Praxis unserer gewerkschaftlicher Bildungsarbeit die „Mündigkeit“ als Lehrziel nicht vergessen werden.
B. Traven – Reise zu einer spannenden Person
Traven wünschte sich selbständig denkende Leserinnen und Leser, die sich nichts aufreden lassen, sondern eigene Ideen entwickeln und dafür gerade stehen. Dabei packt er bis heute seine Leser und Leserinnen mit einer einfachen Sprache, bedient sich purer Spannung und lässt Abenteuer lebendig werden.
So eröffnete er vielen Menschen erst die Welt der Literatur sowie alles, was sich darin für das eigene Leben entdecken lassen. Über sich selbst und das Geheimnis seiner Biographie und Herkunft sagte B. Traven einmal bescheiden: „Mein Lebenslauf würde nicht enttäuschen. Aber er ist meine Privatangelegenheit, die ich gerne für mich behalten möchte. Nicht aus Egoismus. In meiner eigenen Sache möchte ich vielmehr mein eigener Richter sein.“
Eine Haltung, mit der man sich heute, in unserer ach so transparenten und überwachten Welt, schon verdächtig macht – und sei es hinter einem Hidschāb oder einer Burka. Zum Schluss bleibt mir eigentlich nur eins zu sagen: Entdeckt B. Traven – und lernt dabei eure eigenen Möglichkeiten und Sehnsüchte kennen!
Die Ausstellung ist – im 1. OG unseres Seminargebäudes – noch bis Ende 2016 zu sehen. Erworben haben wir die Ausstellung beim Heinrich-Heine-Institut in Düsseldorf.
Wir bedanken uns bei dem Ausstellungsmacher Jan-Christoph Hauschild, geb. 1955, studierte nach dem Abitur Germanistik, Geschichte und Erziehungswissenschaften. 1984 promovierte er mit einer Arbeit über Georg Büchner. Von 1980 bis 1986 war er wissenschaftlicher Redakteur der Historisch-kritischen heine-Ausgabe, danach Lehrbeauftragter am Germanistischen Seminar der Universität Düsseldorf. Seit 1984 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter des Heinrich-Heine-Instituts.